Kritik am „Rock dein Leben“-Festival

Letztes Jahr haben wir bereits zu einigen der Acts vom Rock dein Leben Festival ein paar Texte geschrieben, manche von ihnen sind auch dieses Jahr wieder am Start, manche sind neu.

Hier die Texte vom letzten Jahr:

Stunde Null
Kommen wir zu Stunde Null. Grundsätzlich wäre es gut, wenn wir mit dem Konsum ihrer Texte 0 Stunden verbracht hätten. Haben wir aber nicht. Deswegen dürft ihr euch das jetzt antun.
Wirkt auf den ersten Blick unproblematisch und harmlos. Ne Mischung aus oberflächlicher Gesellschaftskritik und Schlager mit verzerrten Gitarren. 
Wir ordnen die in den Bereich der Grauzone ein. Die geäußerte Gesellschaftskritik a) oberflächlich und b) so diffus, sie könnte eine Mathetextaufgabe sein. Es wird ständig von einem“wir“ und einem “die” gesungen, wobei nicht klar ist, was beide Gruppen jetzt voneinander entschiedet. Außer, dass die einen die Guten und die Anderen die Bösen sind. 
Was in Star Wars vielleicht cool sein mag, ist in der Realität eher problematisch. Unklare Feindbildbestimmungen sind klassische Merkmale antisemitischer und verschwörungsideologischer Talking Points. Das kann dann auch beliebig gedeutet werden und man kann sich dann auch klassisch vom Antisemitismus distanzieren. 
Ein Beispiel hierfür ist der Song “Freiheitsfahnen statt Krieg und Heer”. Es wird vom “Lügensystem” gesungen, das einstürzen soll. Außerdem gehts auch darum, dass man selbst entscheiden will, welcher Wahrheit man folgt. Klingt sehr nach Querdenken, ist aber von 2018.
Der Rest besteht aus Schlager. 
Mit dem entsprechenden Frauenbild. So stellt sich das lyrische Ich im Song “Engel im Exil” als Supermann dar, der seine Lois Lane “ziehen lässt”, anstatt anzuerkennen, dass sein Mitspracherecht an der Stelle so vorhanden ist wie gute Reime in den Texten dieser Band.

Unantastbar
Die Band “Unantastbar” sticht zunächst neben pathetischen Liebestexten voller Herzschmerz und beklemmenden Besitzansprüchen sowie einer unangenehmen Liebe zur Heimat Südtirol nicht besonders heraus. Sie distanzieren sich auf ihrer Website von jeglichem Extremismus ( Hufeisen lässt grüßen) und behaupten in ihren Songs sei es ihnen egal, ob mensch muslimischen oder christlichen Glaubens sei. Aber ist es auch egal, wenn Menschen rechtsextremistisches Gedankengut in sich tragen?
Frontmensch Joggels spielte gemeinsam mit Philipp Burger von Frei.Wild bis zur Auflösung infolge einer Massenschlägerei im Jahr 2001 in der Rechtsrockband “Kaiserjäger”. 
Diese völkisch geprägte Band thematisierte offen rassistische Inhalte, sprechen beispielsweise von “N** und anderem Gesindel”. Joggels sagt selbst, mensch habe mit der rechten Szene gebrochen und verweist dabei auch auf aktuelle Sonette. Hier werden zwar Fehler der Vergangenheit thematisiert, jedoch so schwammig, dass jeglicher Interpretationsspielraum erhalten bleibt. Darüber Hinaus gibt sich Joggers gerne betont empört, keine zweite Chance zu bekommen und verstehe nicht, weshalb die Band “Unantastbar” bereits im Rahmen früherer Konzerte ausgeladen wurde. Vielleicht kommen ja auch daher die pathetischen texte. Auch diesen Sommer wieder gemeinsam mit Frei.Wild auf der Bühne zu stehen, scheint die Band letztlich nicht zu stören.

Der W.

Das Festival „Rock dein Leben“ in Laichingen kündigte am 18.12.2022 die Band „DER W.“ als Headliner an. Wie in den Jahren zuvor entschieden sich die Veranstalter*innen dafür, eine Grauzonenband in die Region zu holen. Hinter der Band „DER W“ steckt das Gründungsmitglied der Band „Böhse Onkelz“, Stephan Weidner. Mit dem Ende der „Böhsen Onkelz“ gründete sich im Jahr 2008 Weidners Soloprojekt und formuliert auf dessen Homepage: „DER W wurde aus der Asche der Onkelz geboren“. Der Diskurs über die politische Ausrichtung der Band und der einzelnen Personen ist nicht neu und erstreckt sich über die letzten 40 Jahre. Bis zum heutigen Tag zeigen Menschen ihre Sympathie mit der Band durch „Onkelz“-Shirts, Tattoos und Autosticker. Diese Selbstverständlichkeit kaschiert jedoch oftmals in der öffentlichen Wahrnehmung, die Tragweite deren fremdenfeindlichen und misogynen Vergangenheit. Mit Songs wie „Türken raus“ und „Mädchen“ bekannte sich die Band klar zu Rassismus und der Verherrlichung von sexualisierter Gewalt (Trigger-Warnung bei Recherche!). Den „Böhsen Onkelz“ gelang es in den 80er Jahren in Westdeutschland und zur Wendezeit in den neuen Bundesländern deren menschenfeindliche Positionen in ganz Deutschland zu verbreiten. Mit zunehmendem Erfolg, wuchs auch der Druck auf die Band sich „gemäßigter“ zu geben, um weiterhin Konzerte spielen und CD´s zu verkaufen zu können. Die „Onkelz“ forcierten somit in den 90er Jahren einen Imagewandel und suchten den Erfolg in der breiten Gesellschaft. Durch bagatellisierende Aussagen, wie bspw. es wären „Jugendsünden“ gewesen oder „wir sind Jungs, die mal scheiße gebaut haben“ versuchten die Bandmitglieder in Interviews, ihren Ruf zu reformieren und sich neu zu erfinden. Die Band distanzierte sich über die Jahre von rechtsextremen Positionen, gewannen aus der bürgerlichen Mitte ein breites Publikum, verloren jedoch nur einen kleinen Teil der „alten“ faschistischen Fanbase. Vermeintliche Distanzierungen der Band zu menschenfeindlichem Gedankengut, dürfen jedoch nicht über die finanzielle Bereicherung und Stärkung der rechten Szene in den 80er und 90er Jahren hinwegtäuschen. Inwieweit sich Stephan Weidner von der rechten Szene abgrenzt, bleibt fraglich. Weidner ist ein Medienprofi und weiß sich marketingtechnisch in Szene zu setzen. Der Spagat, „Böhse Önkelz“ Fans der ersten Stunde zu erreichen und sich gleichzeitig als überzeugter Demokrat zu positionieren, funktioniert perfekt! Ausverkaufte Konzerte und Headliner-Bookings auf Festivals wie bei „Rock dein Leben“ unterstreichen die Beliebtheit von S. Weidner. Es liegt auf der Hand, dass der Erfolg, sich nicht allein auf die musikalische Darbietung des Soloprojekts begründet, sondern vielmehr aufgrund der Bandgeschichte, den Labels und den alten Songs, welche die rechte Szene mitgeprägt haben. Ob es sich hierbei um Konzerte der Band „DER W“, der Ursprungsband „Böhse Onkelz“ oder „Freiwild“ handelt, so ist das Problem gleich. Grauzonenkonzerte bieten Menschen mit rechtsextremen Ideologien Rückzugsräume, in denen Männer-Hierarchien, Sexismus und Gewaltverherrlichung ausgelebt werden können. Dass Rechtsrock- und Grauzonenbands bis heute noch in Teilen der Gesellschaft einen ideologischen Nährboden finden, ist keine Randerscheinung, sondern gesellschaftliche Realität. Umso brisanter ist die Tatsache, dass Grauzonen-Konzerte wie das „Rock dein Leben“ mit öffentlichen Mitteln des „Staatsministeriums für Kultur und Medien“ gefördert werden.

Weitere Texte zum Line-Up dieses Jahr folgen….